„Ja, aber“ – oder wie Sie garantiert jedes Gespräch abwürgen

Veröffentlicht am Veröffentlicht in Allgemein

Diskussion

„Du hast ja recht, aber“…

Kennen Sie solche Diskussionen? Sind solche Diskussionen interessant und ergiebig? Sind sie befriedigend für Sie, hinsichtlich Ihres kommunikativen Ziels?

„Aber“ ist ein kleines Wort, dass über den gesamten Erfolg eines geäußerten Satzes entscheiden kann. Meist zu unserem Nachteil.

Doch was passiert eigentlich in unserer alltäglichen Kommunikation, wenn wir das Wort „aber“ einsetzen?

 

Wir verwenden “aber” ständig, manchmal gar unbewusst

Schauen wir uns hierzu an, in welchen Situationen „aber“ verwendet wird. Meist ist es folgende: Unser Gesprächspartner macht eine Äußerung, der wir nicht zustimmen. Nehmen wir an, es geht darum, wozu ein geisteswissenschaftliches Studium denn überhaupt gut sei. Unser Gesprächspartner könnte folgende Aussage machen:

„Mit einem geisteswissenschaftlichen Studium ist man heutzutage auf dem Arbeitsmarkt unnütz. Wer interessiert sich denn z. B. für lyrische Analysen in der freien Wirtschaft?“

Nehmen wir jetzt an, wir sind anderer Meinung: Wir denken sehr wohl, dass geisteswissenschaftliche Fächer auch im Arbeitsmarkt ihre Berechtigung haben. Meist wollen wir jedoch einer direkten Konfrontation aus dem Weg gehen, also kommt zumeist so etwas dabei heraus:

„Ja, du hast ja Recht, aber auch Geisteswissenschaftler haben ihre Berechtigung am Arbeitsmarkt.“

Die Antwort unseres Gegenüber darauf könnte beispielsweise lauten:

„Welche Berechtigung denn? Bezahlt zu werden für etwas, das niemandem etwas bringt? Gedichte untersuchen am Arbeitsplatz? Ne, Germanisten haben doch keinen Wert im Berufsalltag.“

Darauf könnten wir wiederum antworten:

„Ich stimme dir ja zu in dem Punkt, aber auch wir Geisteswissenschaftler haben Qualitäten, die im Beruf gefragt sind.“

kommunikative Sackgasse

 

“Ja, aber…” führt uns in eine kommunikative Sackgasse

Was denken Sie: Wird sich daraus eine produktive Diskussion entwickeln? Wird hier ein echter Austausch an Argumenten, Ansichten, Werten etc. stattfinden?

Wohl kaum. Weil ein einziges Wörtchen den Ausschlag geben kann. Ein einziges Wörtchen, dass immense Wirkung hat.

Vergleichen wir einmal die Wirkung unseres ersten Satzes, unserer ersten Antwort auf unser Gegenüber. Was wäre passiert, wenn Sie ihn folgendermaßen formuliert hätten:

„Du hast Recht. Und auch Geisteswissenschaftler haben ihren berechtigten Platz im Arbeitsmarkt…“

Mit „und“ passiert etwas wichtiges innerhalb der Diskussion: „Und“ heißt, ein Gesprächsangebot, ein Argument unseres Gesprächspartners anzunehmen. Wir hören unser Gegenüber an. Wir gehen auf unseren Gesprächspartner ein. Mit „aber“ erreichen wird das genaue Gegenteil. Wir würgen die Diskussion ab. Wir gehen nicht auf unseren Partner ein. Wir interessieren uns gar nicht für seine Argumente. Wir wollen nur schnell unsere eigenen Ansichten durchsetzen.

Mit “ja, aber…” lehnen wir Gesprächsangebote ab

Was passiert wohl, wenn wir ein Gesprächsangebot mit „aber“ ablehnen? Wird unser Gegenüber daraufhin erfreut unsere Argumente anhören?

Sie haben es erraten: Es geht hier gar nicht nur um die Worte „aber“ und „und“. Es geht um aktives Zuhören. Das Wort „aber“ scheint für unser Gehirn eine Art Signalwirkung zu haben: „Achtung, das was ich gesagt habe, wird jetzt abgelehnt, muss schnell wieder Gegenargumente finden…“.

Wir können dieses ermüdende Kommunikationsverhalten tagtäglich in jeder beliebigen Polit-Talkshow miterleben. Eine Kultur des Umsichwerfens mit Argumenten. Möglichst viele Argumente, in möglich kurzer Zeit. Schnell viel sagen. Niemals jemanden ausreden lassen! Nie jemandem zustimmen!

Was passiert, wenn Diskussionen so geführt werden? Kann in einem solchen Setting Entwicklung stattfinden? Es scheint eher so, dass jeder Talkgast seine Argumente loswerden will – komme was da wolle. Eine sehr egoistische Kommunikationskultur.

„Ja, aber“ ist in diesem Zusammenhang ein echter Kommunikations-Killer. Es erstickt jede lebhafte Diskussion, jeden Austausch von Argumenten, im Keim. „Aber“ sorgt dafür, dass die Argumente, die unser Gegenüber äußert, weder angehört noch ernst genommen werden. Und zwar, weil es im Grunde ein unehrlicher Weg ist, zu sagen: “Nein. Ich bin anderer Meinung.” Die Verwendung von “Ja, aber…” sendet zweideutige, gemischte Signale aus. Zum einen eine (Pseudo-)Zustimmung mit “ja”, zum anderen Ablehnung mit “aber”. Dass daraus keine produktive Diskussion entstehen kann, liegt auf der Hand.

 

“Ja, und…” heißt aktiv Zuhören und Gesprächsangebote annehmen

Was denken Sie: Ist es Zufall, dass der geniale Keith Johnstone, Vater des Improvisationstheaters, genau das seinen Schülern als erstes beibringt, nämlich „ja, und…“ statt „ja, aber…“ zu sagen? Beim Improvisations-Theater kommt es nämlich einzig und allein darauf an, ein Gesprächsangebot eines Mitspielers anzunehmen und die Idee weiterzutragen. Ein abgelehntes Gesprächsangebot, und die Show ist zu Ende. Achten Sie mal darauf, wenn Sie eine improvisierte Show ansehen.

Gesprächsangebot annehmen

Um noch einmal zum Anfang des Beitrags zurückzukommen: Ist es also schwer, als Geisteswissenschaftler am Arbeitsmarkt zu bestehen? Ja, es ist schwer für Geisteswissenschaftler, am Arbeitsmarkt zu bestehen, und nichts ist spannender, als es zu tun!